OSTEUROPAtour 2005
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Tag01 Daheim-Cheb-Karlovy Vary-Cheb
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OSTSCHOCK & BÄDERCHIC

Strahlender Sonnenschein, heiße Luft aus dem Süden und gut ausgeschlafen - so beginnt unsere Tour gen Osten leider nicht. Nach nur vier Stunden Schlaf geht es heute um kurz nach sieben bei starker Bewölkung, gelegentlichen Schauern und nicht mal 20°C mit der Regionalbahn nach Aschaffenburg. Es ist schon einiges los im Zug: viele Wochenendradler, Schichtarbeiter, die gerade Feierabend haben und neben uns zwei Frauen, die versuchen, ihre Lidl-29€-Bahntickets auszufüllen.

Nach einer Stunde Warten mit kleinem Frühstück geht unsere dritte Europatour dann richtig los. Über Bamberg, Lichtenfels, Hof und Marktredwitz machen wir uns quer durch das Fichtelgebirge mitsamt den tief hängenden Wolken auf nach Tschechien. Unser erstes Ziel heute: Cheb.

Die Vogtlandbahn dorthin ist ziemlich voll. Wir sehen die ersten anderen Backpacker und lernen eine ältere Frau kennen, die lange in Liège gelebt hat, dort offenbar mal wieder zu Besuch war und nun heim nach Karlovy Vary fährt. Sie gibt uns zuerst auf gebrochenem Deutsch, dann auf Französisch, was ihr leichter fällt, ziemlich gute Tipps, z.B. dass die Bahnstrecke von Karlovy Vary nach Prag wegen Bauarbeiten teilweise gesperrt sei und es über Plzeň schneller ginge.

Kaum über die Grenze, wird der Zug auf den Schienen etwas unruhiger. Kurze Zeit später erreichen wir Cheb. Durchsagen, Schilder, viele Leute - wir verstehen sie nicht. Es ist ein eigenartiges Gefühl, das erste Mal eines der ehemaligen Ostblockländer zu betreten, auch wenn die Wende schon 15 Jahre zurückliegt. Es ist weder euphorisch, noch mulmig, einfach eigenartig, vielleicht etwas befremdlich.

Vom Bahnhof aus laufen wir über den großen Vorplatz direkt ins Stadtzentrum auf den Marktplatz, an dem auch das Touristenbüro liegt. Abgesehen von bröckelndem Putz an einigen Häusern und manchmal doch etwas gewagten Fassadenfarben macht die Stadt einen eher positiven Eindruck. Im Touristenbüro will die Frau gerade absperren, lässt uns aber doch noch herein und vermittelt uns ans Studentenwohnheim, das nicht allzu weit vom Bahnhof entfernt liegt.

Durch eine Wohngegend dackeln wir dorthin. Zahlreiche Häuser sind noch grau, aber oft erkennt man schon, dass an ihnen was gemacht wird, wie neue Fenster eingesetzt beispielsweise. Mittendrin sitzt eine gelb-bunte, moderne Eishockeyarena. Die Frau im Studentenwohnheim ist sehr freundlich, auch wenn sie leider nur Tschechisch spricht. Als sie unsere Studentenausweise sieht, reduziert sich der Übernachtungspreis sogar noch mal von sowieso schon günstigen 280,- Kč (30Kč=1€) auf unglaubliche 150,- Kč pro Person! Das entspricht ziemlich genau 5€ pro Person! Doch leider kann sie uns auf unseren 1000-Kronen-Schein vom Automaten nicht rausgeben und wir sollen in der Stadt wechseln. Was sie meint, ist uns schon klar, aber leider können wir ihr nicht verständlich machen, dass wir verstanden haben, was sie meint. Sie führt uns jetzt erstmal auf das Zimmer im 3. Stock. Wir haben zwei getrennte Betten, Klo, Dusche und Waschbecken teilen wir uns mit einem anderen Zimmer, das aber wohl nicht besetzt ist - sofern überhaupt noch andere Zimmer im Moment belegt sind.

Als wir wieder runterkommen, holt die Frau ein älteres Mädchen (wahrscheinlich ihre Tochter) hinzu, die sowohl Deutsch als auch Englisch spricht und wir klären alles. Dann gehen wir jetzt erstmal in die Stadt, kaufen etwas ein, begutachten den großen, schönen Marktplatz mit dem Stöckl etwas genauer und marschieren hinauf zur Kaiserpfalz. Dort dreht ein Team des Bayerischen Rundfunks gerade einen Beitrag für die Abendschau. Die Pfalz selbst ist nicht übermäßig groß, aber doch ganz nett. Die Highlights sind definitiv der Schwarze Turm und die beiden übereinander gebauten Kapellen.

Wieder unten in der Stadt, besichtigen wir noch die Bartholomäuskirche, die einen ziemlich voluminösen Eindruck hinterlässt, wobei sie auch schon bessere Zeiten gesehen hat. Hier erfahren wir übrigens, dass Balthasar Neumann in Cheb bzw. Eger mit deutschem Namen geboren wurde.

Auf dem Marktplatz kommt uns eine große Gruppe schwarz gekleideter, wohl eher rechts einzuordnender Deutscher entgegen. Wir biegen beim Neuen Rathaus lieber links ab, wo wir sogleich jede Menge Motorräder finden - leider viele auch noch mit Nummernschildern direkt aus unserer Gegend.

Nach einem Abstecher zum Franziskanerkloster, in dessen Kreuzgang uns eine Frau kurz alles wichtige erklärt und in dessen Kirche gerade archäologische Ausgrabungen und Renovierungen stattfinden, laufen wir wieder zurück zum Wohnheim, bezahlen das Zimmern und stiefeln an noch vielen recht einheitsgrauen Wohnhäusern vorbei zum Bahnhof, um unsere Junior Pässe zu kaufen, wobei sich Christoph mein "Sträflings"-Foto erschleichen will und um mit dem nächsten Zug nach Karlovy Vary zu fahren, denn mit dem Wochenendticket der DB kann man auch mit den Zügen in den grenznahen Gebieten in Tschechien fahren. Das mit dem Junior Pass ist übrigens eine feine Sache, denn es gibt einen Junior Pass Léto (Léto=Sommer), der von Juli bis Mitte September gilt, den Fahrpreis um 50% ermäßigt und sage und schreibe nur 100,- Kč kostet! Bereits bei einer längeren Bahnfahrt hat man damit schon gespart. Und falls man für den Junior Pass zu alt ist, gibt es noch die Karta Z, die genauso viel kostet, aber eine nicht ganz so hohe Ermäßigung bietet. Übrigens sollte man nicht erwarten, dass in Cheb am Bahnhof am Schalter jemand Englisch oder Deutsch kann - höchstens vielleicht im ČD Centrum.

Wir sitzen in unserem ersten tschechischen Zug. Im Gang unseres Wagens läuft ein Soldat (oder Wehrpflichtiger?) in voller Montur samt Gewehr und Reisetasche (er fährt also wohl entweder nach Hause oder zur Kaserne und ist folglich wohl kaum im Dienst) an unserem Abteil vorbei. Naja.

Langsam kommt die Sonne raus, der Himmel strahlend blau und die Landschaft leuchtet in all ihren prächtigen Farben. Sehr idyllisch.

In Karlovy Vary horní nádraží angekommen, hüpfen wir in den kleinen, roten Schienenbus, der uns zum dolní nádraží bringt und laufen auch gleich los in Richtung Zentrum. Man merkt gleich, dass es ein Touristenort ist. Die Fußgängerzone ist wunderbar hergerichtet und die meisten Gebäude haben ein perfektes Erscheinungsbild. Der hohe Anteil von Russen an den Gästen, den uns die Frau im Zug nach Cheb geklagt hat, gibt es wirklich, wobei sich viele Geschäfte offenbar darauf eingestellt haben mit Schildern und Speisekarten auf Russisch. Am Ende der Fußgängerzone liegt der Klotz 'Hotel Thermal' und bricht den sonst ziemlich durchgängigen Stil. Von hier aus geht es einen kleinen Park entlang zum Lázně III, wo wir auch die erste Quelle finden, an der sich einige Leute mit ihren Schnabeltassen bedienen. Auf dem Rückweg probieren wir das Wasser auch da mal und fragen uns, ob das wirklich so gesund sein kann bei diesem metallisch-schwefeligen Geschmack.

Zuerst geht es aber weiter das Tal entlang. Karlovy Vary ist wirklich eine schöne Stadt mit nahezu perfekter Kurhausatmosphäre. An der einen Kolonnade, der modernen aus Beton und Glas (Vřídelní Kolonáda = Geysir-Kolonnade, weil in deren Inneren ein kleiner Geysir sprudelt), kaufen wir aufgewärmte Karlsbader Oblaten und haben damit, wie wir im Nachhinein feststellen, einen Marco Polo Insider-Tipp genossen. Lecker, lecker! :-) Und das auch nur, weil sich Christoph daran erinnert hat, schon einmal einen Ausflug hierher gemacht zu haben, als er mit seiner Familie Ende der 80er in Dresden war.

Wir laufen noch bis zum Grand Hotel Pupp (ohne Zweifel, unser Lieblings-Grand-Hotel;-)) und dem historischen Lázně I, kehren dann aber wieder um, damit wir auf jeden Fall die Bahn um halb 10 zurück nach Cheb kriegen. Dank Wochenendticket haben wir heute ja auch auf den grenznahen Strecken der ČD in allen Os- und Rychlík-Zügen freie Fahrt. Vor der Rückfahrt geht's noch kurz zu McDonald's, um wenigstens noch irgendwas warmes zu essen. Ich bin mal wieder begeistert. Englisch, Deutsch - beides kein Problem: "Nehmen Sie bitte Platz." Sehr freundlich. 

Auf der Rückfahrt sind nicht viele Leute im Zug. Irgendwann nach der Kontrolle kommt der Schaffner noch mal zu uns. Er bringt uns eine deutsche Zeitung, die er in einem anderen Wagen gefunden hat, genauer gesagt den 'Mannheimer Morgen'. Eines muss man den Leuten wirklich lassen: Trotz gelegentlicher Verständigungsprobleme (einige können halt doch nur Tschechisch, siehe Schalter am Bahnhof in Cheb), sind die meisten Leute doch immer sehr freundlich und zuvorkommend. :-)

Zurück im Wohnheim in Cheb durch die nicht besonders belebte gelblich-orange beleuchtete Straße, sitzt eine andere Frau dort am Empfang und scheint total überrascht zu sein, dass wir kommen. Aber wir kriegen unseren Schlüssel und fallen todmüde ins Bett. Was mein Sicherheitsgefühl anbelangt, ist mir noch etwas mulmig zumute - hoffentlich zu unrecht.

FAHRTENBUCH

abfahrt start ziel dauer km typ preis
7.15 Obernburg-
Elsenfeld
Aschaffenburg 0h20 22 RB 15€*
8.29 Aschaffenburg Bamberg 1h55 163 RE
10.37 Bamberg Lichtenfels 0h19 32 RE
11.06 Lichtenfels Hof 1h24 95 RE
12.38 Hof Marktredwitz 0h27 42 RE
13.10 Marktredwitz Cheb 0h24 27 VLB
18.07 Cheb Karlovy Vary
horní n.
1h04 52 Os
19.16 Karlovy Vary
horní n.
Karlovy Vary
dolní n.
0h09 3 Os
21.30 Karlovy Vary
dolní n.
Karlovy Vary
horní n.
0h05 3 Os
21.37 Karlovy Vary
horní n.
Cheb 1h02 52 Os
  Obernburg-
Elsenfeld
Cheb 7h09 491   15€
*Preis pro Person, in diesem Fall zu zweit das Schönes-Wochenend-Ticket der DB für 30€, das auch auf den grenznahen Strecken der ČD gilt. Da wir hier im Fahrtenbuch immer nur den Preis pro Person angeben, macht das also in unserem Fall 15€ für jeden.
VLB=Vogtlandbahn: privater Bahnbetreiber, bei dem DB/ČD -Tickets gelten.


Randnotiz: In der Titelzeile hab ich vom "Ostschock" geschrieben, wozu ich noch kurz etwas schreiben möchte, nachdem wir nun die ganze Reise hinter uns haben und wieder daheim sind. Es ist vielleicht ein Gefühl, das bei mir (Matze) ausgeprägter war als bei Christoph, oder er hat es einfach nur nicht so krass formuliert. Vorab: die Tour war wirklich toll, absolut interessant und ich kann nur jedem empfehlen, so bald wie möglich den Osten Europas zu besuchen. Der "Ostschock" ist vielleicht noch einmal richtig aufgetreten, nämlich als wir nach Rumänien gefahren sind. Ich finde einfach, dass einmal Tschechien und später Rumänien eine gewisse Grenze darstellen, was den Wohlstand und die Lebensart und nicht zuletzt auch noch vor anderthalb Jahrzehnten die politischen Systeme anbelangte. Nicht leugnen darf man allerdings auch, dass bereits wenn man von Marktredwitz in Richtung Tschechien aufbricht, auch auf bayerischer Seite schon vieles wie in Tschechien auch aussieht - auch grau und nicht unbedingt auf dem neuesten Stand. Das lässt sich schwer in Worte fassen, es ist einfach ein leicht beklemmendes Gefühl. Als einen krassen "Ostschock" würde ich auch ein Erlebnis aus dem Jahr 2002 beschreiben. Damals war ich mit Christoph zum ersten Mal in Berlin und wir sind am Potsdamer Platz in die U-Bahn gestiegen, um zum Alexanderplatz zu fahren. Als wir dort ausgestiegen sind, habe ich mich auch wie in einer anderen Welt gefühlt. Es ist ein seltsames, leicht bedrückendes, aber mich absolut faszinierendes Gefühl, da dieses ja vor allem durch Architektur und Städteplanung aufgebaut wird - und vielleicht gerade deshalb faszinierend, weil man eben in "Westeuropa" meist doch eher anders gebaut. Dann ist der "Ostschock" schon auch noch dadurch bedingt, dass einfach vieles noch grau ist und so eher Tristesse erzeugt. Ebenso die Tatsache, dass man auf viele Gebäude und Plätze trifft, die noch nach auf eine Sanierung warten. Nicht, dass es manchmal in Deutschland nicht auch so aussehen würde, aber es wirkt meistens doch irgendwie gepflegter. Wenn ich an den Blick aus unserem Wohnheimzimmer in Cheb denke, hat mich das am ersten Tag schon etwas mitgenommen, auch wenn es im Nachhinein schon absolut okay war. Vielleicht kommt da noch hinzu, dass viele Reiseführer über Osteuropa gerne Schwärmen und mich auch sehr begeistert haben, doch im Endeffekt muss ich sagen, dass dadurch in mir Erwartungen und Hoffnungen geweckt wurden, die mit der Realität einfach nicht so übereinstimmen. Viele Städte verfügen beispielsweise über einen wirklich toll herausgeputzten Marktplatz, aber bei einem Blick in die Seitenstraßen wird das wahre Gesicht einer Stadt dann schon viel deutlicher. Allerdings sei auch angemerkt, dass die Fassade eines Hauses nichts über das Innere aussagen muss. Denn oftmals sind Häuser, die äußerlich vielleicht noch den ein oder anderen Makel haben, von innen doch gut erneuert. Bei unserem Wohnheim in Cheb genauso. Okay, mag auch logisch sein, schließlich ist das Innenleben eines Hauses ja für den Wohnkomfort doch erst einmal das wichtigere. Ich hoffe mal, ein bisschen besser meinen "Ostschock" verständlich gemacht zu haben, aber das musste jetzt einfach mal für den ersten Tag sein, da ich mir hierüber wirklich sehr viele Gedanken gemacht habe. 


Der herausgeputzte Marktplatz von Cheb.


weitere Bilder aus Cheb






































































































































"Live" von der Dreifaltigkeitssäule in Karlovy Vary blicken wir auf die Marktkolonnade.


weitere Bilder aus Karlovy Vary



































































































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