VEIT, WENZEL & BARBARA
Um sieben läutet der Wecker -
erstmal natürlich nur für mich, vor allem, weil ich absolut nicht
einschätzen kann, wie viel hier in unserer Unterkunft in Praha
morgens los ist bei zwei Duschen für vermutlich 24 oder mehr Leute in
unserer Pension. So früh ist jedenfalls fast noch nichts los, was auch
nicht schlecht ist, denn wir wollen möglichst früh auf die Burg.
Frisch und munter decken wir uns beim Billa mit Brötchen, Wurst, Käse
und Getränken, bevor wir in die Metro steigen. Wir haben uns für das
15-Minuten-Ticket entschieden, das wir jedoch um 5 Minuten überziehen.
Hätte ich echt nicht gedacht, dass es so lange dauert bei vier
Stationen mit einmal Umsteigen. Die Gestaltung der Bahnhöfe find ich
übrigens sehr interessant. Hat was.
Bei Wallensteins Schlossgarten steigen wir aus und laufen um den
Burgberg herum und diesen schließlich hinauf, nachdem wir im Park uns
das erste kleine Frühstück gegönnt haben.
Es ist heute richtig warm und die Sonne scheint ordentlich. Obwohl es
erst halb zehn oder so ist, ist schon gut was los. Wir kaufen das Ticket
B und gehen auch gleich schnurstracks in die St.-Veits-Kathedrale. Sehr
groß, sehr gotisch und sehr beeindruckend. Das Grab des heiligen
Nepomuk ist vielleicht etwas übertrieben. Den großen Turm dürfen wir
auch noch hinaufsteigen. Die etwa 280 Stufen sind schon ziemlich
anstrengend (gut, dass wir das Schild erst gesehen haben, nachdem wir
wieder unten waren), es lohnt sich aber für die Aussicht auf jeden
Fall. Neben Altstadt, Petřin-Hügel mit verkleinerter Kopie des
Eiffelturms und Wohngebieten kann man z.B. die deutsche Botschaft sehen,
die 1989 ihre historischsten Augenblicke erlebt, zwei Fußballstadien,
den Fernsehturm und noch so manches mehr.
Wieder unten, verfolgt uns oder verfolgen wir einige spanische,
italienische und deutsche Reisegruppen, u.a. auch in den alten
Königspalast, wo wir staunend vor dem Fenster stehen, aus dem der 2.
Prager Fenstersturz stattfand, der den 30-Jährigen Krieg auslöste,
wenn ich alles richtig verstanden habe und in Geschichte auch da
aufgepasst habe. Der größte Saal - der Wenzelssaal -dient u.a. zur
Amtseinführung des Präsidenten. Kurz vor dem Ausführung kann man sich
noch eine Filmvorführung über die Geschichte der Prager Burg ansehen.
Einen Augenblick verweilen auch wir darin.
Was fehlt jetzt noch? Natürlich das Goldene Gässchen! Auch hier
drängeln ab und an die Reisegruppen etwas, dabei gibt es hauptsächlich
kleine Läden zu bewundern, die ihr Zeug an die Touristen loswerden
wollen. In denen kleinen Häuschen kann es darum mal gelegentlich zum
Stau oder zur Verstopfung kommen. Zum Glück waren wir vorhin gleich in
der Kathedrale, denn mittlerweile ist die Schlange auch davor elendig
lang.
Wir verlassen die Burg über eine Treppe voller Souvenirstände hinunter
zu Wallensteins Garten, von wo wir nochmals nach Josefov wandern, um
schließlich doch für 140Kč
mal einen Blick in die Altneusynagoge werfen zu dürfen, denn man sollte
schon mal eine Synagoge in seinem Leben von innen gesehen haben, um
überhaupt vom jüdischen Glauben vielleicht noch ein bisschen besser
und konkreter eine Vorstellung zu bekommen. Danach geht es schon recht
flott zum Hauptbahnhof, wo wir dann auch noch etwas Zeit haben und im
Park den Sommer genießen.
Wenig später sitzen wir im Rychlík nach Kutná Hora, wobei das recht
industrielle und nicht besonders attraktiv erscheinende Kolín
durchfahren. Der Zug ist ziemlich voll und wir mit jeder Station voller.
In Kutná Hora steigen vor allem Touristen aus, die genau
wie wir einen Halbtagesausflug hierhin machen. So folgen wir den kleinen
Gruppen vorwiegend Englisch sprechender Leute in etwa unserem Alter die
Straße entlang in die Stadt zur ersten Station, dem Gebeinhaus. Dabei
handelt es sich um eine Kapelle, deren ziemlich komplette Ausstattung
von Mönchen aus Knochen hergestellt worden ist. Dort ist auch einiges
los. Und zum ersten Mal auf unserer Tour wird eine extra Fotoerlaubnis
für immerhin 30Kč verkauft.
Wer trotzdem ohne diese Erlaubnis Fotos macht, sollte sich nicht
unbedingt erwischen lassen, was allerdings kein großes Problem
darstellen sollte. Durch die ganzen Touristen wirkt die Kapelle nicht
ganz so "gespenstisch beeindruckend" wie sei vielleicht sein
könnte. Und über Geschmack lässt sich ja bekanntlich sowieso
streiten.
Ohne den Tross vom Bahnhof laufen wir weiter in die Innenstadt. Viele
Wohnblöcke, mal renoviert, mal nicht, ein Theater, ein wohl ehemaliges
Sowjetdenkmal, an dem jedoch keine Fahne mehr gehisst ist, aber auch
viele hübsche, nette Häuschen säumen unseren Weg in die Altstadt,
deren Straßenbelag sich sofort nach dem UNESCO-Weltkulturerbe-Schild
von Asphalt zu Pflastersteinen wandelt. Auch wenn wir nicht ganz so in
die Begeisterungsstürme mancher Reiseführer miteinfallen können, so
ist Kutná Hora definitiv eine schöne Stadt mit einem schönen Platz,
unter dessen Touristen-Info ein Alchemiemuseum liegt, das wir noch
schnell besichtigen dürfen, obwohl die Frau am Eingang eigentlich
gerade Feierabend macht (heute nämlich ne halbe Stunde früher als
sonst). Aber die Kollegin im Büro lässt uns freundlicherweise
passieren, da wir bei ihr wohl ein bisschen Mitleid geweckt haben
müssen. Es ist klein, aber hübsch und in dem alten Gewölbekeller
kommt die richtige Atmosphäre auf. Auf jeden Fall einen Abstecher wert.
Wieder am Tageslicht machen wir uns gleich auf den Weg zur Kathedrale
der heiligen Barbara. Sie liegt am Rande der Altstadt und benötigte
auch einige Jahrhunderte bis zur Fertigstellung. Für Liebhaber
gotischer Kathedralen sicherlich das "must see" hier. Gerne
hätten wir noch einen Blick in die kleine Burg und die Führung durch
das frühere Silberbergwerk mitgemacht, aber wir wollen noch in den
Welscher bzw. Italienischen Hof, wo früher Münzen geprägt wurden (hm,
wieso wollte Christoph da gleich noch mal rein?), doch kann man uns kurz
vor Feierabend nur noch eine Führung durch die Hälfte der Anlage auf
tschechischer Sprache anbieten. Also lassen wir es und suchen uns statt
dessen was zu essen.
In der sowohl vom Lonely Planet als auch vom Marco Polo empfohlenen
Bierhalle 'Pivnice Dačický' werden wir fündig und speisen auf der
Terrasse im Hinterhof. Wildgulasch mit Böhmischen Knödeln und
Kartoffelfladen für Christoph, Old Magyar Style Chicken Stripes mit
Kartoffelpuffer für mich. Dazu gibt's lokales Bier, wobei Christoph
noch zwei dunklen schon deutlich die Wirkung spürt. Hier sehen wir
übrigens auch ein paar Amerikaner wieder, die wir im Zug und am Bahnhof
und sonst noch als mal in der Stadt gesehen haben. Der eine scheint auch
Deutsch zu sprechen.
Eigentlich wollen wir den Bus zurück zum Bahnhof nehmen, aber da die
abends auch nicht mehr gerade häufig fahren und wir sowieso noch genug
Zeit haben, laufen wir die drei Kilometer halt doch wieder zurück - und
sehen dort ein paar andere English speaking people, von denen einer
damit beschäftigt ist, sich auf die Gleise zu stellen und tolle Fotos
aus der Zug-Perspektive zu machen. Auf dem Bahnsteig bemerke ich, dass
meine rechte Hosentasche ein Loch hat. :-( Wahrscheinlich hat sich die
"spitze Kante" des Brillenputztuches durchgebohrt. Für 17€
von C&A taugt so eine Hose halt doch nix. *grml* Und das, nachdem
sie jetzt gerade mal den vierten Tag trage.
Im Abteil in unserem Zug (in Tschechien gibt es generell äußerst viele
Abteilwagen, in der Regel mit 8 Plätzen) sitzen wir mit zwei Frauen,
die ebenfalls Englisch sprechen und Christoph in der
St.-Barbara-Kathedrale schon aufgefallen sind. Sie scheinen die Leute im
Nebenabteil zu belauschen und versuchen anhand deren "Dialekt"
festzustellen, wo die herkommen.
Recht flott sind wir wieder in Praha und gehen dann auch
gleich aufs Zimmer, denn morgen wollen wir um 7.23 Uhr weiter nach
České Budějovice fahren. Ich schreib für Sebastian noch die
Postkarte, dann heißt's aber wirklich: Licht aus und Gute Nacht.
FAHRTENBUCH |
abfahrt |
start |
ziel |
dauer |
km |
typ |
preis |
14.10 |
Praha hl.n. |
Kutná Hora |
0h57 |
73 |
R |
86Kč |
20.11 |
Kutná Hora |
Praha hl.n. |
0h56 |
73 |
R |
 |
|
Praha hl.n. |
Praha hl.n. |
1h53 |
146 |
|
86Kč |
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R=Rychlík,
ein einfacher Schnellzug, entspricht etwa dem RE bei uns. |
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Das hübsche Goldene Gässchen - wer hier hinein
möchte, muss auch Eintritt bezahlen.
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Praha
  
   

UNESCO-Weltkulturerbe: Chrám sv. Barbory
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