LICHT UND SCHATTEN
Unser zweiter Tag in Bucureşti.
Am Morgen schaut der kleine freche Hund von Irina in unser Zimmer. Er
schleicht regelrecht über den Balkon zu uns und gibt auch keinen Ton
von sich, denn ihm wurde eigentlich der Zutritt zum Wohnzimmer verboten,
solange wir da sind. Gar nicht so blöd.
Nach dem Frühstück fährt Irina
mit uns im Trolleybus zum Piaţa Universitaţii. So können wir
den Teil der Stadt, den wir bisher immer nur mit der Metro durchfahren
haben, auch mal richtig sehen. Aber zugegeben, besonders spektakulär
ist es nicht.
Unser erstes Ziel ist heute die 'Agenţie de Voiaj CFR', um die
Fahrkarten für morgen nach Constanţa zu besorgen. Das Büro ist
recht groß und vor allem total neu, es gibt etliche Schalter und wir
müssen auch eine Nummer ziehen. Es dauert ein bisschen, aber dann
kommen wir an die Reihe. Irina nimmt die Sache in die Hand und erkundigt
sich zuerst einmal nach Studententarifen. Aber die gelten nur für
rumänische Studenten, will heißen, sogar für Irina nicht, weil sie
nicht in Rumänien studiert. Während mich dieses Zwei-Preise-System
nicht mehr verwundert, erstaunt es mich umso mehr, als wir hier
tatsächlich gedruckte Fahrkarten bekommen und es tatsächlich an jedem
Schalter einen Computer gibt! Da sind die in Bukarest ja echt schon
richtig fortschrittlich im Vergleich zum restlichen Land.
Mit den Fahrkarten in der Tasche machen wir uns zum 'Muzeul Naţional
de Artă', der Nationalgalerie, die im Königlichen Schloss
untergebracht ist, denn hier findet derzeit eine Sonderausstellung mit
dem Titel 'Umbre şi lumini / Ombres et lumières' ('Licht und
Schatten') statt, in der französische Gemälde aus vier Jahrhunderten
(1600-2000) gezeigt werden, darunter Bilder von Poussin, Cézanne,
Picasso und Matisse, die aus verschiedenen französischen Museen (z.B.
dem Louvre) stammen und nun auf Tour sind. Für 7,50 lei noi dürfen wir
hinein, wobei gleich am Anfang Irina noch einmal kurz hinausgebeten wird, weil
ihr Handy geläutet hat und das Telefonieren nicht gestattet ist.
Die Ausstellung ist interessant, auch wenn es jetzt nicht die bekanntesten
Bilder sind. Irina lästert nur extrem über den letzten Raum mit den
modernen Installationen, darunter ein Holzrahmen, der mit einer
Plastikfolie beklebt ist. Ich gebe zu, es gibt originellere Sachen, aber
dennoch finde ich, dass gerade so etwas die moderne Kunst so interessant
macht. Irina hat die Ausstellung zumindest insgesamt nicht so gut
gefallen, ich fand sie okay und Christoph, ja, schon auch. Besonders von
Cézanne und Matisse waren ein paar schöne Werke dabei. Die eigentliche
Nationalgalerie schauen wir uns übrigens nicht an. Einmal, weil die
natürlich auch noch einmal Eintritt kostet, zum anderen sind wir uns
nicht so sicher, wie interessant sie überhaupt ist, denn es werden vor
allem Meisterwerke der rumänischen Kunst vom 10. Jahrhundert bis zur
Moderne ausgestellt.
Gleich gegenüber des Königspalastes liegt ja das 'Ateneul', an dem wir
gestern auch schon waren. Ich würde gerne einmal hineinschauen und wir
finden schließlich sogar einen Eingang. Aber wir lassen es dann doch.
Statt dessen lassen wir uns von Irina zum Piaţa Romană
bringen, von wo sie uns den Weg zum 'Parcul Herăstrău'
erklärt, denn sie verabschiedet sich nun wieder von uns und fährt nach
Hause.
Die erste Straße ist recht grün, die Häuser noch eher klein. Der
Bulevardul Iancu de Hunedoara ist dann wieder weniger hübsch. Er ist
schon ewig breit, aber nicht so besonders grün. In der Mitte fährt die
Straßenbahn, die Kastenhäuser links und rechts, ehemalige Gewerbe-
oder Industrieanlagen, die von wild kläffenden Hunden bewacht werden
(gut, dass wir auf der anderen Straßenseite laufen), dazu noch eher
wenig Schatten... In einem kleinen Supermarkt decken wir uns schnell
ein, bevor wir etwas erschöpft am Piaţa Victoriei ankommen. Der
stellt eigentlich nichts anderes dar als einen riesigen Kreisel, der um
eine gigantische, leere Teerfläche herumführt. Wären nicht die
riesigen Werbeschilder, würde es hier wahrscheinlich ziemlich trostlos
aussehen.
Uns zieht es in die Şos Kiseleff. Hier ist es ziemlich grün, der Verkehr
hält sich in Grenzen und wir entspannen erst einmal unsere Füße auf
einer Bank. Ein paar Museen stehen hier in der Gegend, bevor in über
1,5 Kilometern der Triumphbogen auftauchen soll. Nachdem Irinas Mutter
so davon geschwärmt hat, beschließen wir mal einen Blick ins 'Muzeul
Ţăranului Român' (Museum des rumänischen Bauern) zu werfen,
das nächstes Jahr sein hundertjähriges Bestehen feiert, 2 RON Eintritt
kostet und tolle Eintrittkarten hat. Die Ausstellung selbst ist ganz
nett, natürlich hauptsächlich Gegenstände aus dem Leben der Bauern.
Dazu zählt auch eine Kirche, die in das Museum versetzt wurde oder auch
gar ein ganzes Bauernhaus mit originaler Einrichtung. Ein Besuch ist
also auf jeden Fall empfehlenswert.
Der anschließende Gang entlang der Şos Kiseleff ist weniger
spektakulär. Ein paar Villen und Konsulate bzw. Botschaften trifft man
an, hin und wieder sieht man aber auch recht verlassene Anwesen und den
ein oder anderen streunenden Hund. Aber dann sind wir endlich an unserem
Ziel: dem 'Arcul de Triumf', der nicht nur vom Namen her Ähnlichkeiten
mit seinem Pariser Pendant hat. Leider liegt er genauso ungünstig wie
in Paris mitten in einem Kreisverkehr.
Und jetzt sind wir endlich am 'Parcul Herăstrău', dem
größten Park der Stadt (187ha) mit zwei großen Seen. Hier sind
etliche Leute unterwegs - wahrscheinlich weil ja Wochenende ist. Leider
hat der Park bestimmt auch schon ein mal bessere Zeiten gesehen, was die
Stimmung dann doch wieder etwas drückt. Wenn du im groß
ausgeschilderten 'Japanischen Garten' stehst und feststellen musst, dass
der seit seiner Anlegung total verkommen ist, ist das doch ein etwas
deprimierender Anblick. Denn in dem Park stecken so viele interessante
Ideen, die trotz der 70er/80er-Jahre-Optik gut aussehen könnten, wenn
man sich nur ein bisschen darum kümmern würde. So ist die Atmosphäre
zwar gemütlich und entspannt, aber doch mit einem leicht deprimierten
Beigeschmack, der einfach nicht verschwinden will. Nordwestlich des
Parks türmt sich übrigens das 'Haus der Presse' auf. Die
ausgeschilderte Achterbahn haben wir übrigens nicht gefunden.
Am Piaţa Charles de Gaulle, der teilweise von moderneren
Hochhäusern gesäumt wird, steigen wir in die Metro und fahren zurück.
Oder sind wir doch gelaufen!? Falls doch, war es auf jeden Fall ein ganz
schönes Stück. Letztlich kann ich mich nur noch daran erinnern, dass
wir in einem Buchladen waren, in dem Christoph für Irina als
Dankeschön ein Buch mit Stücken von Oscar Wilde gekauft hat und wir
kurz nach Postkarten geschaut haben und anschließend haben wir bei
McDonald's draußen zu Abend gegessen, bevor wir um 20.43 Uhr am Piaţa
Romană in die Metro gestiegen sind, um zu Irina nach Hause zu
fahren.
FAHRTENBUCH |
abfahrt |
start |
ziel |
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typ |
preis |
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*RON=lei noi=neuer Lei (10RON = ca. 3,5€), seit 1.7.2005
parallel in Verwendung mit dem alten Lei (10RON=100.000 alte Lei) |
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Wären nicht die bunten Werbeschilder, würde es
am Piaţa Victoriei noch trostloser aussehen.
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