ABENDESSEN
BEI DRACULA
Als wir aufstehen, lacht die
Sonne von einem strahlend blauen Himmel. Sieht also ganz nach einem
perfekten Sommertag hier in Sibiu aus.
Der erste Weg in die Stadt führt uns aber erst
einmal zum Brukentahl-Museum (www.brukenthalmuseum.ro), laut Lonely Planet 'the oldest and likely
finest art gallery in Romania' und auch Marco Polo bezeichnet es als
eines der bedeutendsten Museen Rumäniens. Na wenn das mal keine gute
Werbung ist! Für 3 Lei dürfen wir uns persönlich überzeugen. So
ganz eindeutig ist der Rundgang nicht gestaltet, aber wir finden alles.
Nur ganz so begeistert sind wir nicht. Ne, echt nicht. Sorry. Wir sind
sogar ziemlich enttäuscht. Den Lonely Planet trifft eigentlich keine
Schuld, den Marco Polo schon. Der verheißt nämlich eine "große
Gemäldeabteilung mit Werken von Rubens, van Dyck, Jan Breughel, der
österreichischen und rumänischen Schule". Die letzten beiden
Dinge machen eigentlich so ziemlich alle Bilder aus. Das soll nicht
bedeuten, dass die Bilder schlecht sind, aber bei einer großen
Ankündung von drei sehr bedeuteten Künstlern erwarte ich dann doch
mehr als nur je ein Bild, das dazu nicht gerade zu den bekannten
Gemälden gehört. Es hängen sogar noch ein Tiziano (sagt Christoph)
und ein nachgemalter Tiziano hier! Okay, das
klingt jetzt so negativ. Das Museum ist echt schön, ein Besuch ist
schon interessant, aber wir hatten aufgrund eines Reiseführers leider Erwartungen,
die nicht erfüllt wurden.
War das vor dem Museum oder doch erst danach? Auf jeden Fall müssen wir
zur 'Agenţie de Voiaj CFR', denn nur dort (und nicht am Bahnhof)
können wir die Fahrkarten für morgen nach Braşov kaufen. Am
Bahnhof gibt es nur die Fahrkarten für die Züge, die jeweils in den
nächsten zwei Stunden abfahren. Naja. Das Reisebüro der rumänischen
Eisenbahn befindet sich direkt neben angeblich Sibius luxuriösestem
Hotel, dem 'Hotel Împăratul Romanilor'. Die Inneneinrichtung des
Verkaufsbüros stammt jedoch auch schon aus den vergangenen Jahrzehnten.
Hinter den Schaltern mit Scheiben sitzen die Angestellten mit ihren
Listen, auf denen wohl noch die freien Plätze verzeichnet sind (ein
Computersystem scheint es nicht zu geben, geschweige denn einen
Computer! - ok, doch, aber nur am internationalen Fahrkartenschalter)
und hin und wieder greifen sie zum Telefon. Wir haben uns so den Zug
gegen 8 rausgesucht. Doch am Schalter erfahren wir, dass genau der Zug
nicht mehr fährt. Entweder den um 6.31 Uhr oder den um 10.47 Uhr. Weil
die Schlange nicht gerade kurz ist, müssen wir uns schnell entscheiden
und nehmen den Rapid um...6.31 Uhr! Das macht 24,70 neue Lei pro Person.
Verdammt, müssen wir dann morgen früh raus!
Der Magen verlangt nach etwas Essbarem. In der Fußgängerzone Str
Nicolae Bălcescu entscheiden wir uns für den Kebab-Sandwich-Laden,
an dem viele Leute anstehen. Ich bekommen meinen Kebab mit Pommes und
Ketchup, auf Mayo verzichte ich gerne. Mit dem Döner in der Hand
schauen wir mal beim alten Rathaus vorbei (Fotos dürfen im Innenhof nur
mit gekaufter Erlaubnis gemacht werden! Da steht nämlich echt jemand
herum und kontrolliert das.) und bei der orthodoxen Kathedrale. Sie
sieht ganz ähnlich aus wie die orthodoxen Kirchen, die wir letztes Jahr
in Griechenland gesehen haben. Nur ein Priester schaut etwas böse auf
Christophs Knie, die nicht bedeckt sind. Kurz vor der Kathedrale hat
sich übrigens der Ketchup des Döners an mir gerächt, denn er hat mich
mit Flecken übersäht. Das ist also die Strafe dafür, wenn man Ketchup
auf den Döner tut.
Wir schlendern gemütlich durch den 'Parcul Astra', an der Rückseite
der Universität vorbei, wieder durch ein paar Straßen, finden einen
blau verglasten Kasten einer Bank mitten in einem Wohngebiet und landen
schließlich auf dem Parkplatz neben dem 'Hotel Parc', einem großen
Hotelkasten, der gerade renoviert wird. Hier sollen laut der Frau aus
der Touristeninformation die Maxitaxis nach Sighişoara
abfahren - und wir finden unseres auch recht schnell. Es stehen noch ein
paar wenige andere Maxitaxis und Buss dort, ja es gibt sogar richtige
Fahrpläne, denn zum Beispiel fährt von hier aus auch ein Bus bis nach
Deutschland oder Barcelona! Der Fahrer lässt uns erst mal in den
Minibus, bezahlt wird nachher, als er mal durch die Reihen geht. Als
Fahrkarten gibt es so eine Art Streifenkarte, auf der mehrere Beträge
stehen und je nach Ort wird dann das Ticket an einem bestimmten Betrag
abgetrennt und bezahlt.
Auf der Fahrt nach Sighişoara
ist es warm, die Musik schlecht (zuerst Radio, das geht ja noch; nur
warum läuft hier immer noch 'Modern Talking'? Und diese Kassette mit
lauter, nerviger rumänischer(?) Volksmusik hätte später echt nicht
sein müssen!), aber der Blick aus dem Fenster ist echt faszinierend.
Die Landschaft ist wirklich schön, die Orte oftmals solche ewig langen
Straßenkäffer, wie es sie bei uns im Odenwald und im Spessart auch
gibt, mal mehr, mal weniger schön hergerichtet, und es sind teilweise
wirklich kuriose Gefährte unterwegs. Das krasseste ist die Karosserie
eines Autos, die auf einen pferdebespannten Wagen montiert ist. Normale
Pferdefuhrwerke gibt es natürlich auch zur Genüge, die dann natürlich
auch sofort überholt werden müssen. Die Fahrt dauert auch ein ganzes
Stück länger als geplant. Irgendwann sind wir immerhin schon mal in
Copşa Mică, das sich vor allem durch ziemlich herunter
gekommene schrottreife Industrieanlagen bemerkbar, bald kommt auch Mediaş,
das wohl eine nette Altstadt besitzt.
So, endlich am Bahnhof von Sighişoara
angekommen. Keine ermüdend laute Volksmusik mehr. In Dosen ist sie
bestimmt gar nicht mal so schlecht, aber nicht eine ganze Kassette davon
nonstop! Noch schnell abgecheckt, wann der Bus zurückfährt - 20 Uhr,
passt -, dann laufen wir in Richtung Zentrum. Beim Sowjetischen
Kriegsdenkmal befindet sich auf der anderen Straßenseite ein
abbruchreifes Ziegelsteinhüttchen. Nicht weiter spannend. Eigentlich.
Plötzlich taucht eine dicke ältere Frau mit zerfurchtem Gesicht auf,
die sich an ihrem langen, schwarzen Rock etwas zurechtzupft und an diese
Ziegelsteinwand pinkelt! Einfach so, mitten am helllichten Tag! Wie
dreist ist das denn?
Dieses Bild von
Sighişoara, das übrigens zu
deutsch Schässburg heißt, wird aber schnell
durch ganz viele andere ersetzt. Zunächst durch die orthodoxe
Kathedrale und kaum später durch den Anblick der Burg, in der sich die
Altstadt befindet, die wie in Sibiu auch zum UNESCO-Weltkulturerbe
zählt. Hoch oben auf einem kleinen Berg thront sie über der Stadt.
Durch kleine Gassen und Treppen kommen wir nach oben und betreten durch
den Stundturm, das unverkennbare Markenzeichen der Stadt mit dem bunten
Dach, die Stadt. Der erste Eindruck: Fantastisch! Ganz viele andere
Leute sehen das wohl genauso, denn es ist ordentlich was los. Gleich als
erstes mag ich den Stundturm auch besteigen. Dazu darf man für seine
2,50 neue Lei auch gleich das 'Muzeul de istorie' besuchen. Eine
Fotoerlaubnis kostet übrigens extra. Das Museum bietet ein paar alte
Apothekersachen, ein paar alte Möbel, eine Ausstellung zur
Stadtgeschichte und eine zu einem berühmten Sohn der Stadt, der sich
mit der Raumfahrt beschäftigt hat. Dabei gelangen wir immer weiter die
schmalen Treppen des Turms hinauf, vorbei am Uhrwerk, bis wir
schließlich ganz oben stehen und einen Blick hinunter auf die Stadt
werfen können. Sighişoara verzaubert einfach. Als ob die Zeit teilweise still gestanden hätte.
Wieder unten, laufen wir etwas durch die Altstadt, laufen den Berg noch
einmal halb hinunter, um ein Eis zu kaufen und eine Flasche zu trinken,
marschieren wieder nach oben und landen an der Schülertreppe, einer
überdachten Treppe, die den Berg innerhalb der Burg hinaufführt zur
Bergkirche und der deutschen Schule. Ganz oben an der Treppe sitze eine
bettelnde Frau mit ihren beiden Kindern.
Hier oben ist es ziemlich ruhig und beschaulich inmitten des ganzen
Grüns. Für je 2 neue Lei dürfen wir mal einen Blick in die gotische
Kirche werfen, in der auch sehr viel auf Deutsch erklärt wird. Hinter
der Kirche liegt ein wunderschöner Friedhof - auch hier wieder mit
jeder Menge deutschsprachiger Grabsteine. Ein Ort der Stille und Ruhe -
bis der Rasentrimmer kommt bzw. eher elektrische Sense oder wie auch
immer das Gerät heißt. Christoph kennt es und hat auch schon damit
gearbeitet, ich hab so was noch nie gesehen.
In der Altstadt machen wir uns langsam mal auf die Suche nach einem
schönen Lokal zum Abendessen. Als Christoph kurz auf der öffentlichen
Toilette verschwindet, werde ich von einer Frau angesprochen, die mir
ihr ganzes vor sich ausgebreitetes kunsthandwerkliches Sortiment
vorstellt. Doch das meiste ist mir erstens zu teuer und zweitens müsste
ich es ja auch noch die ganze restliche Tour mit mir schleppen.
Essenstechnisch entscheiden wir uns für das 'Casa Dracula', das Haus,
in dem der Vater des Dracula-Vorbilds Vlad Ţepeş während
seines Exils hauste, zumal der Lonely Planet meint (lassen wir uns
eigentlich zu sehr von unseren Reiseführern leiten!?), dass es sich
hierbei definitiv nicht um eine Touristenfalle handelt. Nun ja, ganz
ehrlich: Ein bisschen muss ich da ja schon widersprechen, denn das Essen ist nicht
gerade billig und sieht dafür noch nicht mal besonders aus. Tja, so
kann man an einem bisher recht billigen Tag doch noch etwas Geld
raushauen. Außer uns war übrigens genau ein Tisch noch besetzt hinten
auf der Dachterrasse.
Viel zu schnell erreichen wir wieder den Bahnhof. Fast eine halbe Stunde
müssen wir noch warten, bis unser Bus kommt. Wir machen es uns auf
einer Bank bequem. Vor dem Bahnhof liegt ein Hund herum, der sich nur
hin und wieder mal ein bisschen bewegt. Irgendwann kommt er zu mir und
räkelt und streckt sich vor mir, während er sehr seltsame Laute von
sich gibt, bis mir mal klar wird: Der bettelt ja. Dumm nur, dass ich
erstens leider nichts für ihn habe und zweitens wäre er mir wohl sonst
auch gar nicht mehr von der Seite gewichen - gerade mir, als alten
Hundefreund (Achtung, Ironie!).
Der Bus kommt pünktlich. Dieser Fahrer möchte allerdings, dass wir
zuerst bezahlen, bevor wir uns Plätze suchen. Will halt jeder anders,
kann man ja nicht wissen. Ob die Rückfahrt schneller geht? Ich kann's
nicht so genau sagen. Auf jeden Fall wird es unterwegs langsam dunkel.
Zum Glück sind nicht mehr so viele LKWs unterwegs wie auf der Hinfahrt.
Nicht weit vor Sibiu steigen zwei recht cool angezogene Jugendliche ein.
Einen Ort weiter winkt ein Mann dem Bus, der noch so angezogen ist wie
vielleicht vor 100 Jahren. Auf jeden Fall erinnert es sehr an eine
Tracht, nur dass das wohl seine Alltagsklamotten sind. Bizarr.
Der Abend ist schon fortgeschritten, als wir Sibiu so
zwischen halbzehn und zehn erreichen. Da der Bus bzw. das Maxitaxi
besser gesagt am Bahnhof hält, steigen wir dort auch gleich aus. Wir
laufen noch einmal quer durch die Altstadt den bekannten Weg von gestern
Mittag direkt zu unserer Pensiune, bevor wir uns in unser schönes Bett
fallen lassen. Christophs Socken sind übrigens trocken. Die Sonne hat
ja heute auch sehr ausgiebig den Tag über geschienen.
FAHRTENBUCH |
abfahrt |
start |
ziel |
dauer |
km |
typ |
preis |
13.00 |
Sibiu |
Sighişoara |
1h25 |
91 |
Maxitaxi |
10RON* |
20.00 |
Sighişoara |
Sibiu |
1h25 |
91 |
Maxitaxi |
7RON |
 |
|
Sibiu |
Sibiu |
2h50 |
182 |
|
17RON |
 |
*RON=lei
noi=neuer Lei (10RON = ca. 3,5€), seit 1.7.2005 parallel in
Verwendung mit dem alten Lei (10RON=100.000 alte Lei) |
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Das eindeutige Wahrzeichen
Sighişoara ist der Stundturm, der auch
bestiegen werden kann.
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