IM TAL DER SCHÖNEN FRAUEN
Ausschlafen oder früh
aufstehen, um möglichst viel vom Tag zu haben? Heute müssen wir uns
diese Frage nicht stellen, denn wir haben ja schon die Tickets und die
Reservierung für den Zug von Košice
nach Ungarn. So geht es mal wieder gegen sechs aus dem Bett. Die Duschen
sind okay, gibt nur keine Duschvorhänge. Dafür ist's allerdings nach
Männlein und Weiblein getrennt.
Der Tag beginnt so wie der gestrige aufgehört hat: bewölkt und
ziemlich frisch. Wir laufen in Richtung Bahnhof, nehmen die Zvonárska,
durch die wir noch nicht gelaufen sind und nutzen die frühen
Öffnungszeiten beim Bala zu einem Frühstückseinkauf. Wir gönnen uns
heute Morgen sogar so ein Multivitaminzeugs (richtiger Saft ist es ja
nicht). Die Getränke (also Softdrinks und Wasser) kosten übrigens
überall genauso viel wie bei uns. Ob die nun westeuropäische Preise
oder wir inzwischen osteuropäisches Niveau in diesem Fall erreicht
haben - zumindest sei gesagt, dass ist Osteuropa nicht pauschal alles
billiger ist.
Obwohl wir beim Einkaufen nicht getrödelt haben, kommen wir schon
ziemlich knapp zu unserem schicken und recht neu wirkenden slowakischen
InterCity, der uns nach Miskolc bringen soll. Übermäßig voll ist er
übrigens nicht. Sitzplatzreservierung muss hier aber trotzdem sein,
wenn man über die Grenze will. Die Fahrt ist nicht so besonders
spannend, dafür aber gemütlich. Von den Grenzbeamten werden wir mit
einem für Grenzbeamte recht freundlichen "Jó Napot"
begrüßt - mal eine ganz andere Sprache, die in Europa ja am ehesten
vielleicht noch mit Finnisch verwandt ist, aber auch nur sehr entfernt.
In Miskolc müssen wir raus - und landen gleich mal in einem richtig
schönen Bahnhof. Um die Tickets für die Weiterfahrt kaufen zu können,
brauchen wir einige Forint. Die gibt es auch direkt aus einem
Geldautomaten im Bahnhofsgebäude. Die Schlange hinter dem
Kartenschalter zieht sich ein bisschen. Das liegt vielleicht auch daran,
dass das Ausdrucken der Tickets nicht ganz so schnell klappt. Die
Fahrtkarten der MÁV wirken auch eher wie große, zweifarbige
Kassenzettel - und manche verlassen wirklich mit fast endlos langen
"Kassenzetteln" den Schalter. Auch ein sehr interessantes
System. Wir sind an der Reihe. Und die Frau spricht leider nur
Ungarisch. Im Zug hab ich zwar die passenden Wörter aus dem
Reiseführer auswendig gelernt, aber irgendwie waren sich Lonely Planet
und Marco Polo bei der Aussprache nicht ganz einig. Mit der
Marco-Polo-Aussprache versteht sie immerhin, was ich will. Zwar kriegen
wir keine Studententickets, weil sie's nicht versteht, aber 730 Forint
pro Nase für die Fahrt nach Eger sind ja auch okay. Puh, erste
Sprachbarriere geschafft.
Weiter geht die Fahrt nach Füzesabony mit dem Regionalzug. Der Zug ist
mit Abstand der Schlechteste, mit dem wir bisher gefahren sind. Die
Türen sind teilweise während der Fahrt offen, über die Toiletten
reden wir erst gar nicht und überhaupt machen die Wagen den Eindruck,
als ob an denen schon seit Ewigkeiten nichts mehr gemacht worden ist. Im
Moment jedenfalls gewinnt die ungarische MÁV eindeutig den Preis für
den miesesten Zug. Dabei hätte ich von Ungarn irgendwie doch mehr
erwartet.
In Füzesabony dürfen wir erst einmal eine knappe Stunde warten,
nachdem wir die Bahnsteig-und-Gleis-Tafel mal durchschaut haben. Als ich
die Verbindung im Kursbuch herausgesucht hatte, hab ich gedacht, das
ginge schneller, aber sei's drum. Ein paar Züge fahren durch den
Bahnhof, die meisten natürlich in Richtung Budapest, in die auch die
meisten Leute einsteigen. Ansonsten herrscht aber eher tote Hose. Dafür
genießen wir endlich mal wieder die Sonne. Die hat in den letzten zwei,
drei Tagen doch sehr gefehlt. Es ist schließlich Sommer!
Der Zug nach Eger fährt nicht lange, nur eine Viertelstunde, und
unterscheidet sich absolut nicht von dem, mit dem wir vorhin aus Miskolc
gekommen sind. Auch hier sind die Türen sperrangelweit offen. Am
meisten wundert mich fast noch, dass der Zug aus verhältnismäßig
vielen Wagons besteht, denn es sind nicht gerade viele Leute auf dem Weg
nach Eger.
Für die meisten Züge ist Eger ein Sackbahnhof. Für
unseren auch. Laut Stadtplan müsste man noch ganz gut in die Stadt
laufen können. Also los. Wie soll man den ersten Eindruck von der Stadt
beschreiben? Jedenfalls überhaupt nicht großstädtisch. Eher
gemütlich und beschaulich, was vielleicht auch am perfekten
Sommerwetter liegt.
Die imposante gelbe Bazilika taucht als erstes markantes Highlight der
Stadt auf. Wir haben die Altstadt erreicht. Die Atmosphäre ist doch
gleich eine andere als noch gestern in der Slowakei. Alles wirkt viel
österreichischer, barocker. Und es sind auch schon etliche Touristen
unterwegs.
Im Tourinform-Büro lassen wir uns ein Doppelzimmer für die Nacht
vermitteln, mal wieder in einem Studentenwohnheim, dem Érsekkert
College (College bedeutet in Ungarn offenbar so viel wie Wohnheim), das
sehr zentral liegt und keine zehn Minuten zu Fuß von hier entfernt ist.
Nichts wie hin. Es liegt sehr idyllisch an einer breiten Allee, drum
herum ist der Érsekkert, der große Erzbischöfliche Garten. Ebenso wie
die Züge ist auch das Wohnheim vom Komfort nicht ganz auf dem Level mancher aus der Slowakei oder Tschechien, aber es ist auf jeden Fall okay
und guten Gewissens weiterzuempfehlen. Das Doppelzimmer kostet uns
übrigens für diese eine Nacht 3220Ft, ergo keine 13€ und somit für
jeden etwa 6,50€, auch wenn ich nicht so ganz durchschaue, wie auf der
Rechnung dieser Preis zustande kommt bei den ganzen Gebühren und
Steuern, die dort eingetragen sind. Das Ungarische wird für mich wohl
immer eine sehr rätselhafte Sprache bleiben.
Kaum sind die Rucksäcke abgestellt, machen wir uns auch gleich auf zur
Bazilika, um einen Blick in ihr Inneres zu werfen. Eine recht
interessante Kirche. Läuft man die Treppe wieder hinunter, steht man
ganz automatisch vor dem Líceum, in dem sich unter anderem eine sehr
sehenswerte Bibliothek aus dem Jahr 1765, eine Astronomie-Museum und als
Highlight die 'Camera
Obscura' befindet. Über
eine Art Teleskop auf dem Dach des Turms, von dem man übrigens eine tolle
Aussicht über die Stadt hat, kann man in einer dunklen Kammer auf einer
Art großen runden Tisch sehen, was draußen gerade vor sich geht. Es
stehen ziemlich viele Leute in dem Raum und entsprechend warm ist es.
Leider sorgt der Student, der die Vorführung macht, auf
Englisch nicht für ganz so viele Lacher wie er dies auf Ungarisch
tut.
Wir sind wieder unten und draußen. Weiter geht's durch die sehr belebte
Fußgängerzone. Und kaum ein paar Meter weiter machen wir einen Stopp
bei McDonald's. Der Hunger treibt. Ist ja auch schon so 14 Uhr. Die
ganzen Urkunden weisen den Laden als einen der tollsten, besten und
freundlichsten McDonald's des ganzen Landes aus! Von denen hängen
nämlich jede Menge neben der Theke.
Gut gestärkt setzen wir den Stadtrundgang fort. Hübsch und gemütlich
ist die Stadt, die Eger, die durch Eger fließt, ist eigentlich nur ein
größerer Bach und das Minarett steht mutterseelenallein auf einem
Platz, auch wenn es schon kurios ist, so etwas hier zu finden. Durch
schöne Altstadtstraßen laufen wir zur Burg. An den Kassen stehen wir
zunächst ratlos. Was ist jetzt das Ticket, das wir wollen? Denn
eigentlich wollen wir dort in kein Museum, sondern einfach nur mal auf
die Burg. An einer Kasse entdecken wir dann mal einen Zettel, auf dem
das ganze auch auf Englisch steht. Für je 200Ft kaufen wir uns das
"Strolling Ticket" für Studenten und marschieren den kleinen
Hügel hinauf. Zelte und Stände sind aufgebaut, an denen verschiedene
Sachen verkauft werden, es laufen Akteure in mittelalterlichen Kostümen
herum, hin und wieder gibt es ein paar Böllerschüsse - es wird schon
was geboten auf der 'Egri Vár'. Hier brüten wir über die weitere
Tagesplanung. Thermalbad, Wein trinken, so noch durch die Stadt
laufen... Naja, die rosa Minoritenkirche schauen wir uns auf jeden Fall
gleich mal an, wenn wir wieder unten sind.
Eines der Highlights von Eger soll ja das 'Szépasszony völgy' sein,
was übersetzt das "Tal der schönen Frauen" bedeutet. Wie
auch immer das gemeint sein soll, in diesem Tal trifft man sich
ausschließlich, um die verschiedensten Weine aus Eger zu probieren und
sich gegebenenfalls was frisch abfüllen zu lassen - am besten in ein
Plastikfass, dass es in verschiedenen Größen gibt. Unseres hat 2 Liter
gefasst. Ist man erstmal vorbei an einem Frieshof (vor dem bei uns
gerade ein kleiner Vergnügungspark aufgebaut ist mit Autoskooter und
Karussell) bis an den Rand der Stadt gelaufen, geht es
irgendwann bergab und auf einem großen Parkplatz sehen wir schon die
Busse, in die gerade einige Gruppen wieder einsteigen, mal mehr, mal
weniger stark alkoholisiert. Es gibt kleine Restaurants, Lauben und
einige urige Weinkeller, die in den Berg gebaut sind. Ich versteh bloß
nicht, was die im Lonely Planet damit gemeint haben, dass um 17 Uhr
zugemacht wird, denn zumindest bei uns ist ordentlich was los.
Gestärkt mit richtig gutem süßen Rotwein und unserem Fässchen laufen
wir wieder zurück auf unser Zimmer, stellen das Fässchen ab (haben wir
schon eine leichte Fahne?), packen Badesachen und marschieren zum
Thermalbad, in dem wir noch bis 19.30 Uhr im warmen Thermalwasser unter
freiem Himmel planschen wollen. 650Ft kostet uns der Spaß (ohne das
Hallenbad). Das Freibad ist sehr schön angelegt und bietet einige
Becken mit verschiedenen Temperaturen bis zu 40°C. Schränke zum
Wegsperren von Wertsachen gibt es nicht, dafür eine freundliche Dame an
der Garderobe, bei der man seine Sachen abgeben kann, was allerdings
extra kostet. Auf jeden Fall hat es sich sehr gelohnt, hierher zu gehen.
Nachdem wir noch einmal kurz auf dem Zimmer waren, machen wir uns auf in
die Stadt. Langsam wird es schon dunkel. Auf dem Dobó Istvan tér
findet ein Boxkampf statt. Junge Ungarn treten gegen junge Slowaken an.
Hinter uns auf dem Platz machen sich die anderen Boxer, die gerade nicht
im Ring stehen, warm.
Christoph möchte ja nach wie vor seinen Palatschinken essen. Auch in
Ungarn hat ja die österreichische Küche ihren Einfluss hinterlassen.
Zwar hat das erste Restaurant zu, in das wir wollen, doch direkt daneben
um die Ecke finden etwas viel besseres: das 'Palacsintavár'. Hier gibt
es wirklich alles, was man mit Pfannkuchen machen kann. Die Preise sind
zwar nicht ganz billig (ein ordentlicher Pfannkuchen kostet fast 5€),
aber als wir drinnen sind, wollen wir auch gar nicht mehr raus. Das
Lokal liegt im Keller, der total cool gestaltet ist und es ist echt
gerammelt voll. Nach ein wenig Warten kriegen wir zum Glück einen
Tisch. Es gibt hier nicht nur süße Pfannenkuchen, sondern auch richtig
deftig belegte, manche auch eher vegetarisch... Es gibt so viele
Variationen, dass mir eine Entscheidung gar nicht so leicht fällt. Das
einzig dumme ist nur, dass wir beim Essen erst nach einer Weile
feststellen, dass der Kellner unsere Palatschinken verkehrt hingestellt
hat. Aber so hat jeder von jedem mal die Hälfte gegessen... Auch nicht
schlecht. Es schmeckt ja auch so gut! Und satt macht das ebenfalls mehr
als genug!
Mit vollen Mägen schlendern wir gemütlich zurück durch die Stadt. Am
Dobó Istvan tér wird immer noch geboxt. In der Mitte des Platzes ist
plötzlich ein Stück abgesperrt. Wieso? Dort ist das Feuerwerk
aufgebaut, das wohl nach dem letzten Kampf abgefeuert wird. Ich hab noch
nie genau gesehen, wo so Feuerwerke platziert werden, aber ist das
wirklich der geschickteste Platz?
Da es offenbar noch eine Weile dauert bis zum Feuerwerk, machen wir uns
langsam an den Weg aufs Zimmer. Es ist immer noch einiges los auf den
Straßen. Christoph möchte sich noch zwei wichtige Häuser ansehen, das
war's dann auch für heute. Vor dem Schlafen gibt es noch ein wenig
Wein, bevor es schließlich heißt: Jó éjszakát.
FAHRTENBUCH |
abfahrt |
start |
ziel |
dauer |
km |
typ |
preis |
7.55 |
Košice |
Miskolc |
1h13 |
91 |
IC |
316Sk
+15Sk* |
9.35 |
Miskolc |
Füzesabony |
0h55 |
57 |
R |
730Ft** |
11.30 |
Füzesabony |
Eger |
0h17 |
17 |
R |
 |
|
Košice |
Eger |
2h25 |
165 |
|
331Sk
+730Ft |
 |
R=Regionalbahn
*Beim IC nach Ungarn kommen zu den 316Sk noch 15Sk für die Platzreservierung dazu, die auch verpflichtend ist.
**Hier hätten wir deutlich billiger fahren können, wenn wir
statt einer normalen Fahrkarte eine Studentenfahrkarte (diákjegyet)
gekauft hätten, die 237Ft kosten müsste. |
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Das ist also Ungarn vom Zug aus gesehen -
zumindest zwischen Miskolc und Füzesabony.
weitere Bilder von der Fahrt nach Eger
 

Traumhafter, weiter blauer Himmel und
strahlender Sonnenschein - Eger begrüßt uns mit dem Sommer!
weitere Bilder aus Eger
  
  

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