OSTEUROPAtour 2005
home planen & packen route tagebuch links gästebuch

Tag18 Timisoara-Sibiu
Tag 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38


ENDLICH IN TRANSSILVANIEN

Wir haben verschlafen. Um sieben werden wir von Andreis Vater geweckt, packen schnell unsere Sachen, bekommen trotzdem noch ein Frühstück, bevor wir uns gegen 7.20 Uhr verabschieden und von Andrei zum Bahnhof gefahren werden. Der meint zu uns während der Autofahrt, dass wir doch noch ein oder zwei Tage bleiben sollen und schlägt uns vor, heute zum Beispiel mit ihm zum 'Ştrand' (=Freibad) zu gehen. Er bietet uns auch sein Zimmer gerne noch an. Doch wir lehnen dankend ab. Übrigens kommt Andreis Freundin aus der Nähe von Sibiu, die er vor ein paar Wochen dort auch besucht hat mit seinem alten Büschen, das leider unterwegs den Geist aufgegeben hat. Gestern hatte er sogar herumüberlegt, ob er uns vielleicht nicht sogar nach Sibiu begleiten wollte bzw. uns mit dem Auto dort hinfahern wollte, doch aus alldem ist nichts geworden.

Am Bahnhof hilft uns Andrei beim Fahrkartenkauf. Die Schlange am Schalter ist ziemlich kurz. Umso besser. Vielleicht mag es an manchen Bahnhöfen ja wirklich diese Horror-Szenarien vom stundenlangen Warten geben, aber hier am Nordbahnhof von
Timişoara jedenfalls nicht. Zum ersten Mal muss ich mit Lei bezahlen - und das ist echt nicht leicht, denn es gibt ja neue Lei und alte Lei, die sich nur durch 4 Nullen unterscheiden. Gestern haben wir 1000 neue Lei geholt. Die Frau hinterm Schalter will so etwa 600 Lei von mir. Alte Lei, wohlgemerkt, von denen sie natürlich nicht wirklich 600, sondern 600.000 will. Aber die 'Tausend' sparen sich die Leute hier wohl gerne. Und wenn sie sagt, dass sie 600 alte Lei (also eigentlich meint sie ja 600.000 alte Lei) von mir will, sind das 60 neue Lei. Ich gebe ihr einfach mal 100 neue Lei und stecke das Wechselgeld einfach ein, denn ich hab ja sowieso keine Ahnung, wie viel ich gerade wirklich bezahlt habe. Zur Verwirrung kommt nämlich noch das rumänische Fahrkartensystem hinzu. Das sind nämlich solche kleinen Pappkärtchen, auf den ein bestimmtes Kilometerfenster steht und der Ort, an dem man sie erworben hat (für uns 18 neue Lei) . Dazu kommt für den Accelart (und alle anderen Schnellzüge) noch ein Zuschlag (10,70 neue Lei) und eine Reservierung (1,60 neue Lei), von der ich nicht genau weiß, ob wir so eine gekauft haben oder nicht, denn die Frau hat ein paar Zahlen auf die Rückseite der Fahrkarte gekritzelt. Die Karten werden dann noch gelocht. Auf jeden Fall wirkt das ganze System sehr antiquiert und ist in Deutschland zum Glück vor einigen Jahrzehnten umgestellt worden. 

So, nachdem die Fahrkartenkaufaktion abgeschlossen ist, bringt uns Andrei zum Zug mit seinen hellen, blauen und nicht mehr ganz neuen Wagen. Wenn ich mir heute beim Schreiben dieses Textes die Fahrkarten anschaue, haben wir wohl im Wagen 8 die Plätze 41 und 49. Bevor wir einsteigen, verabschieden wir uns erst einmal von Andrei und er und Christoph tauschen Handynummern aus. Im Zug suchen wir uns irgendein freies Abteil. Ich muss echt sagen, ich bin ziemlich ängstlich und verstört nach dem gestrigen Tag. Mein erster Eindruck von Rumänien war zwar, dass die Leute enorm gastfreundlich ist, aber es sich wohl auch genug Kleinkriminelle in diesem Land herumtreiben. Ich traue mich sogar anfangs nicht, alleine das Abteil zu verlassen, um auf Toilette zu gehen. Irgendwann muss aber Christoph. Und so bleibe ich alleine im Abteil zurück. Mir sitzt einfach immer noch der Schrecken in den Knochen, als mir da in
Timişoara einer gleich mein Handy abluchsen wollte, nachdem ich es zum allerersten Mal in diesem Land herausgeholt hatte, denn, ja, wir fallen als Touristen hier doch ziemlich stark auf und können leider auch praktisch kein Rumänisch. Meine Angst geht sogar so weit, dass ich mich trotz der absolut wunderschönen Landschaft draußen einfach nicht traue, die Digicam herauszuholen. Im Nachhinein mag das etwas lächerlich erscheinen, aber es war einfach so. Die Fahrt nach Sibiu führt nämlich wirklich durch die malerischsten Gegenden, die ich je gesehen habe. Viele Hügel, viele Wälder, viele grüne Wiesen, viele Felder, einige Seen und Bäche... Und das alles so unberührt! Die Dörfer machen noch so einen mittelalterlichen Eindruck, die Heuhaufen allerdings auch, ebenso wie die Arbeitsweise der Menschen auf den Wiesen und Feldern. Das ist Idylle pur. Die Kehrseite ist natürlich, dass das Leben in dieser idyllischen Welt nicht ganz so einfach ist, denn sie ist ja nur so idyllisch, weil sie vom Fortschritt noch "verschont" geblieben ist. Besonders schön ist übrigens die zweite Hälfte der über sechs Stunden dauernden Fahrt, wenn es langsam nach Siebenbürgen bzw. Transsilvanien geht. Der strahlend blaue Himmel tut natürlich sein übriges zum umwerfenden Landschaftsbild.

Je näher wir Sibiu/Hermannstadt kommen, desto geringer wird meine Ängstlichkeit. Sie verschwindet zwar nicht sofort, aber als in der Ferne Sibiu auftaucht, macht diese Stadt doch einen gänzlich anderen Eindruck als
Timişoara. Sie wirkt so ruhig und beschaulich und ziemlich klein - und man sieht der Stadt an, dass sie von Deutschen gegründet worden ist. 

Mit Verspätung kommen wir in Sibiu an, wobei die auch noch nicht so groß ist, denn die Aufenthalte in den Bahnhöfen unterwegs sind wohl von vornherein sehr großzügig geplant. Auf dem Bahnhof herrscht reger Betrieb. Ein Taxifahrer spricht uns an, doch wir wollen zur Touristeninfo laufen, die nur etwa 750 Meter entfernt ist. Auf dem Bahnhofsvorplatz tummeln sich etliche Taxis, Busse, Autos und Menschen. Die Straße geht leicht bergauf zur Altstadt, aber es geht. Gleich beim Bahnhof steht von der BRD-Bank ein modernes, verglastes Gebäude, das so überhaupt nicht zu den ganzen eher älteren Gebäuden passt.

In der eigentlichen Altstadt wird es gleich viel gemütlicher. Hier sind sogar schon ein paar mehr Touristen. Bereits jetzt gefällt es mir hier deutlich besser und ich fühle mich auch deutlich sicherer. Das Touristenbüro befindet sich direkt am tollen Piaţa Mare, der gerade neu gepflastert wird. Dort sprechen die Leute neben Englisch auch Deutsch (okay, das Touristenbüro befindet sich auch in einer deutschen Buchhandlung). Leider ist in der Stadt so ziemlich alles ausgebucht! :-O Unglaublich. Aber es gibt noch ein paar Möglichkeiten. Zum einen das Hostel, das direkt hier in der Nähe ist, oder die 'Pensiune Kon Tiki', die auch nicht so weit ist, umgerechnet 28€ pro Zimmer und Nacht kostet und von den Fotos her ziemlich toll aussieht. Weil wir uns mal wieder ein bisschen Luxus verdient haben, entscheiden wir uns für 'Kon Tiki'..

Neben der evangelischen Kirche müssen wir die Treppen, die übrigens unten drunter mit Müll gefüllt sind, hinunter, am Wochenmarkt vorbei, über den Cibin und schon sind wir an der Stelle, die die Frau im Touristenbüro auf unserer Karte markiert hat. Aber hier ist keine 'Pensiune Kon Tiki'. Wir suchen ein bisschen, finden aber auch die angegebene Adresse 'Str. Tudor Vladimirescu nr. 12' nicht. Nach kurzem Überlegen krame ich meine wenigen Rumänischkenntnisse zusammen und spreche eine Frau an, die gerade an uns vorbei läuft. Sie versteht mich sofort und zeigt uns auch gleich die Richtung. Okay, wir waren ja schon fast davor gestanden. Trotzdem danke. Im Gegensatz zur Straße eben sind hier wenigstens nicht alle Bürgersteige gerade aufgebaggert. Die Straßen, die von der 'Str. Tudor Vladimirescu' abzweigen, sind auch schon nicht mehr befestigt. Ein paar Straßenhunde streunen herum.

Nur noch einige Meter, dann stehen wir auch schon an der Rezeption. Das Paar spricht Englisch, auch ein kleines bisschen Deutsch. Uns wird auch ein Frühstück angeboten, dessen Preis wir aber auf dem Zimmer erst noch einmal umrechnen müssen. Das Zimmer sieht noch richtig neu aus und ist die 28€ auf jeden Fall wert. Endlich können wir die Zähne putzen!

Nachdem wir uns frisch gemacht, uns gegen das Frühstück entschieden und zwei Nächte festgemacht haben (das Zimmer ist so schön, da können wir doch nicht morgen gleich weiter!), laufen wir wieder zurück in die Stadt ins Touristenbüro, um dort zu erfragen, wie wir morgen nach Sighişoara kommen, denn die Bahnverbindung ist äußerst schlecht. Aber Gott sei dank gibt es Maxitaxis, die am Hotel Parc wegfahren, wenn auch nur drei oder vier am Tag. Doch das ist allemal besser als mit dem Zug durch die Gegend zu gurken. Und auch von den Zeiten ist es okay. Also fahren wir morgen Mittag nach Sighişoara. Einen Besuch im Brukenthalmuseum verschieben wir ebenfalls auf morgen, denn es ist schon nach 16.30 Uhr und um 5 macht es zu.

Dafür nutzen wir den späten Nachmittag und ganz langsam anbrechenden Abend zu einer Stadterkundung. Einmal geht es um den Piaţa Mare herum (direkt drüber geht ja wegen der Baustelle nicht) und durch den 'Turnul Sfantului' auf den Piaţa Mică, auf dem auch viel gebaut und saniert wird. Dadurch bleibt uns auch der Weg zur katholischen Kirche versperrt. Offen werden wir dagegen von der großen evangelischen Kirche empfangen, die wirklich schön ist und auch so manchen Grabstein mit deutscher Inschrift enthält. Wieder draußen, landen wir auch gleich auf der 'Eisernen Brücke' (der ersten in ganz Rumänien), die auch 'Lügenbrücke' genannt wird, weil hier früher die Händler gefeilscht und die Verliebten sich ewige Liebe geschworen haben. Hier befindet sich auch gleich ein sehr schöner Souvenirshop. Viele Deutsche tummeln sich dort, aber hin und wieder hören wir auch Engländer bzw. Amerikaner und ganz selten sogar mal Italiener und Franzosen heraus. Inzwischen ist meine Ängstlichkeit von heute Mittag nahezu gänzlich verschwunden. Sibiu ist nämlich einfach toll und zieht mich so richtig in seinen Bann.

So langsam machen wir uns auf die Suche nach einem guten und nicht zu teuren Abendessen. Hier am Piaţa Mică gäbe es schon mal eine Pizzeria. Aber wir wollen erst einmal weiterschauen und machen uns nach einem kleinen Schlenker durch die 'Str. Avram Iancu' auf zu den Resten der Stadtmauer. Unterwegs sehen wir einige spanische Autos! Die müssen ja eine ziemlich anstrengende Fahrt hinter sich haben! Entlang der Stadtmauer kommen wir schließlich zum Piaţa Unirii, auf dem gerade die Vorbereitungen für ein Folklore-Festival getroffen werden. Ist hier vielleicht deshalb so viel los? Wir laufen noch ein Stück weiter, aber hinter der Universität sieht es nicht mehr so spannend aus, weshalb wir umdrehen und durch die Fußgägnerzone, die 'Str. Nicolae Bălcescu' laufen. Hier ist ordentlich was los. Etliche Läden, einige Essensmöglichkeiten, einst prächtige Hotels und mittendrin, ja, stehen unsere alten, gelben, deutschen Telefonzellen! Hier sind die also gelandet!

Wir haben Hunger! Am besten hat uns fast noch die Pizzeria am Piaţa Mică gefallen. Also nicht lange gefackelt und ein paar Minuten später sitzen wir auch schon am Tisch. Einige Touristen haben sich ebenfalls dafür entschieden, sogar eine recht große deutsche Gruppe, etwa in unserem Alter, die hier wohl eine rumänische Freundin besuchen. Die Pizza ist wirklich gut - und im Gegensatz zu manchem Gast schmeckt sie uns auch ohne Ketchup ausgezeichnet. Irgendwann tauchen bettelnde Kinder auf, die vom Nebentisch zwei Stücke bekommen und erst verschwinden, als sie eine Kellnerin vertreibt. Für zwei Pizzen, eine Cola und eine Fanta bezahlen wir 34,50RON.

Nach dem Essen suchen wir das Theater und die angeblich in einer Baracke untergebrachte deutsche Abteilung. Aber wir finden es nicht, weil im Marco Polo offenbar eine falsche Adresse angegeben ist. Dafür bekommen wir noch einen weiteren Eindruck von Sibius Altstadt, die auch immerhin seit 2004 auf der Weltkulturerbeliste der UNESCO steht. 

Christoph will unbedingt noch einmal beim Folklore-Festival vorbeischauen. Ich möchte nicht unbedingt hin, aber eigentlich auch nur, weil ich etwas Angst davor habe, bei Nacht durch die Straßen zu unserer Pension zu laufen. Allerdings ich kann mich hier ja nicht ständig von meiner Angst diktieren lassen. Darum gehen wir halt doch dorthin. Inzwischen ist dort deutlich mehr los. Auf der Bühne zeigt eine jugoslawische Truppe ihre Performance, wobei wir uns zuerst gar nicht so sicher sind, was das für eine Sprache ist, in der sie singen. Die Moderatorin bringt uns irgendwann dazwischen mal die Antwort. Eine Beobachtung am Rande der Veranstaltung: Ein kleiner Junge, ein Mädchen und deren Mutter tauchen auf. Sie scheinen obdachlose Roma zu sein, denn sie haben ihr weniges Hab und Gut in einem Stofftuch an einem Stock dabei. Der kleine Junge muss auf das Zeug aufpassen, während sich seine Mutter und seine Schwester in die Menge begeben. Was sie dort tun, kann ich nur vermuten, denn sie sind beide so klein, dass sie zwischen den ganzen anderen Zuschauern nicht mehr zu sehen sind. Nach einer Weile kommt die bucklige vermeintliche Oma zu dem kleinen Jungen, der von ihr kräftig geschimpft wird und eine Ohrfeige verpasst kriegt, bevor sie ihn wegzieht. Man soll ja keine Vorurteile gegenüber Sinti und Roma haben, aber zumindest zeigt der Vorfall heute Abend sehr genau, wieso es diese Vorurteile überhaupt gibt, auch wenn es nur ein paar schwarze Schafe sind, die eine Minderheit so dermaßen in Verruf bringen.

Auf dem Rückweg kaufen wir noch auf den letzten Drücker in einem Supermarkt ein. Als wir uns schließlich in Richtung Pension machen, wird es schon langsam dunkel. Aber die Gegend, in die wir müssen, scheint nachts ziemlich friedlich zu sein.

Auf dem Zimmer macht sich Christoph vor allem ans Waschen seiner Socken, damit die morgen richtig trocknen können, wenn wir schon zwei Nächte hier bleiben. Ansonsten nutzen wir mal das rumänische Kabelfernsehen und bekommen auf HBO das Finale von 'Sex and the City' im Original mit rumänischem Untertitel zu sehen. Und die Betten sind so toll! Da schläft es sich doch richtig gut ein.

FAHRTENBUCH

abfahrt start ziel dauer km typ preis
8.28 Timişoara Sibiu 6h29 307 A 30,30RON*
  Timişoara Sibiu 6h29 307   30,30RON
A=Accelerat
*Preis laut Homepage der CFR in neuen Lei (10 lei noi = ca. 3,5€) mit Reservierung, denn aus den Tickets werde ich einfach nicht schlau, was wir wirklich bezahlt haben.


Ganz Sibiu macht sich schick, denn schließlich ist man 2007 Kulturhauptstadt Europas!


weitere Bilder aus Sibiu












































































































































































































































































zurück weiter

madiwo madiwo