STRESS IN DER GROSSSTADT, STRESS IM
DRACULASCHLOSS
Der Morgen in Sibiu
beginnt sehr früh. So früh sogar, dass wir an der Rezeption noch gar
niemanden antreffen, als wir auschecken wollen. Gut, dass wir immerhin
schon bezahlt haben. Wir müssen nur die Haustür und das Tor
aufschließen, wobei wir es halt offen lassen müssen, denn ansonsten
hätten wir den Schlüssel ja mitnehmen müssen.
Auf dem Weg zum Bahnhof ist schon einiges los. Obwohl es gerade mal
sechs ist, sind schon einige Leute unterwegs, viele zum bzw. kommen vom
Bahnhof. Am Bahnhof selbst ist auch schon gut was los. Unser Rapid
stellt sich als ziemlich moderner Zug heraus. Es handelt sich um diese
Dieseltriebwagen, die die Bahn bei uns in Deutschland als neue
Regionalbahnen einsetzt. So besonders voll ist der Zug allerdings nicht.
Allerdings ist es ja auch die zweitteuerste Zugkategorie und kostet ja
auch uns pro Nase knapp über 7€. Inzwischen haben wir uns auch mit
dem Fahrkartensystem etwas besser angefreundet und diesmal kann ich
sogar erkennen, welche Plätze für uns reserviert sind: im ersten
Triebwagen (M1), die Plätze 42 und 48. Aber da eh viel leer ist, ist
sowieso freie Platzwahl angesagt.
Die Fahrt ist ganz angenehm, die Landschaft schon toll, auch wenn sich
die ganze Fahrt über nicht so viel ändert, denn es geht immer entlang
des Făgaras-Gebirges mit Rumäniens höchstem Gipfel. Je nach Nebel
sehen wir mal mehr, mal weniger, aber kurz vor Braşov
wird es immer sonniger. Zwar gibt es auch noch einige kleine Städtchen
und Dörfer, die "Idylle", die sich uns jedoch auf der Fahrt
nach Sibiu geboten hat, gibt es hier nicht mehr so ganz. Es wirkt schon
alles viel industrialisierter, allein schon durch die ebenen Felder.
Die Ankunft in Braşov
ist schrecklich. Soooo viele Leute, die alle am Bahnsteig auf unseren
Zug warten, weil der nämlich weiter nach Bukarest fährt und wir auch
ein bisschen Verspätung haben. Dann tauchen alle möglichen Leute, die
uns ein Zimmer andrehen wollen oder uns mit dem Taxi irgendwohin fahren
wollen. Das ist schon fast etwas ätzend, bis wir endlich mal draußen
an der Bushaltestelle sind. Da war das in Sibiu ja echt noch total ruhig
und angenehm. Dafür merkt man auch gleich, dass Braşov
eine Großstadt ist - und angeblich auch die meistbesuchteste Stadt
Rumäniens. Große Wohnanlagen aus Beton säumen den ersten Eindruck der
Stadt, was vielleicht auch daran liegt, dass Ceauşescu versucht
hat, die Stadt nach stalinistischem Vorbild umzubauen. Dieser Eindruck
setzt sich nämlich auch noch eine ganze Weile fort, auch nachdem wir
endlich mal im Bus sitzen, wobei uns ein Mann beim Fahrkartenkauf und
beim Herausfinden der Bus-Nummer behilflich war. Ein Zimmer wollte er
uns natürlich auch aufschwatzen.
Der Mann hat was von fünf Haltestellten oder so geschwatzt. Aber bei
der fünften Haltestelle sieht es definitiv nicht danach aus, als ob
hier das Zentrum wäre. Also fahren wir ein ganzes Stück weiter, bis
ich zu Christoph dann doch mal meine, dass wir mal aussteigen sollten.
An der Ecke ist ziemlich viel Verkehr, Orientierung haben wir erst mal
nicht so richtig, bis wir mal ein Schild erblicken und uns einfach mal
in diese Richtung vorarbeiten. Großstadtstress pur, nicht zuletzt wegen
der Luft, die garantiert ziemlich dreckig ist, zumindest entlang der
viel befahrenen Straßen. Da macht das Atmen echt keinen Spaß. Nachher
ist wieder alles in der Nase tiefschwarz.
Am Bulevardul Eroilor kommen wir raus -
und damit sogar genau dort, wo wir hinwollen, denn an diesem befindet
sich das Vier-Sterne-Hotel 'Aro Palace'. Hier ist die Stadt auch wieder
etwas gemütlicher und grüner - nicht nur wegen dem Zentralpark,
sondern auch wegen den grünen Bergen, die Braşov
umringen. Allerdings ist das 'Aro Palace' nicht unser Ziel, weil es
definitiv viel zu teuer sind, sondern das Ein-Sterne-Hotel 'Aro Sport' (www.aro-palace.ro/arosport.html),
das sich hinter dem großen Mutterhaus befindet und das wir nach etwas
Suchen in einer Seitenstraße finden. Der Eingang sieht nicht besonders
aus, aber es scheint okay zu sein, zumal es laut 'Lonely Planet' viel
besser als sein Ruf sein soll. Der Rezeptionist sitzt in seiner Uniform
da, recht schick gekleidet eigentlich, und er spricht problemlos
Englisch als auch Deutsch. Erst sollen wir unsere Rucksäcke in einen
Nebenraum bringen, doch dann bekommen wir doch schon den Schlüssel,
dürfen es begutachten und nehmen es schließlich auch. Für ein
Ein-Sterne-Hotel ist es echt okay, es macht alles einen seriösen
Eindruck, die Etagendusche und -WCs sind sauber und auch nicht zu alt,
es gibt warmes Wasser, was braucht man mehr? Und dafür kostet das
Doppelzimmer ja auch keine 15€. Interessant finde ich übrigens die
Bettwäsche. Die hat nämlich ein großes Loch in der Mitte des
Deckenbezugs. Scheint wohl mal Mode gewesen sein. Oder gibt's da
produktionstechnische Vorteile? Auf jeden Fall habe ich solche
Bettwäsche noch nie gesehen.
Also beginnen wir mal mit unserem Stadtrundgang. Nicht weit vom Hotel
liegt auch schon der zentrale Piaţa Sfantului mit dem gelben Alten
Rathaus, in dessen Inneren wir nach etwas Suchen auch die
Touristeninformation finden. Der Platz ist wirklich das Herz der Stadt.
Hier ist's wirklich schön, es sind viele Leute unterwegs und gleich um
die Ecke in der Fußgängerzone gönnen wir uns bei einer
Bäckerei/Konditorei ein richtig süßes Frühstück - schon fast zu
süß. Achtung, Zuckerschockgefahr! Danach werfen mal einen genaueren
Blick in die Fußgängerzone, in der viele Läden und u.a. auch der
McDonald's liegt.
Unser Weg führt uns zur 'Schwarzen Kirche', die gar nicht mehr so
schwarz ist, wie sie einmal war, weil man sie mal gründlich gesäubert
hat. Schön ist sie trotzdem anzusehen. Und von innen auch, wenn man die
1,50 neue Lei verkraften kann ;-). Die Frau an der Kasse spricht
übrigens Deutsch und überhaupt ist sehr viel in Deutsch gehalten -
auch eine Ausstellung des deutschen Kindergartens von Kronstadt, denn
das ist Braşovs deutscher
Name.
Wir machen einen kurzen Abstecher zur orthodoxen St Nicolae din Scheii,
neben der sich die erste Schule Rumäniens befindet. Hier hinten in
diesem Eck ist Braşov richtig
kleinstädtisch, wäre hier nicht die Endstation einiger Trolleybus linien.
Jetzt haben wir so das wichtigste eigentlich gesehen und machen uns auf
zum Mittagessen. Oder waren wir erst Mittagessen und dann erst bei
Rumäniens erster Schule? Auf jeden Fall waren wir bei McDonalds,
hauptsächlich weil Christoph aufs Klo musste. Und weil es sich dann
halt doch grad angeboten hat, haben wir auch noch was gegessen, auch
wenn es zuerst einige Verständnisprobleme gab. Kennst du eigentlich
diese Pseudo-Indianer, die in vielen Städten mit Panflöten spielen und
dabei ihre CDs verkaufen wollen? Deren Musik allerdings nur von der CD
über den Verstärker kommt und die überall in Deutschland gleichzeitig
auftreten? So eine ähnliche Combo steht nämlich auch auf dem Platz vor
dem Alten Rathaus und zieht hier wirklich noch die Massen an. Zu ihrer
Verteidigung ist allerdings zu sagen, dass die wirklich live spielen -
und die CD auch eine andere ist. Das sei nur der Vollständigkeit halber
erwähnt.
Nun stellt sich die Frage: Fahren wir zum 'Castelul Bran' oder nicht? An
sich ist es ja nur eine Burg, die zwar ganz hübsch, aber ansonsten auch
nicht so herausragend sein soll - und Dracula selbst war wahrscheinlich
da auch nie gewesen, so gern man es den Touristen auch glauben machen
möchte. Andererseits sagt Lonely Planet: "No visit to Romania is
complete withou seeing Bran Castle..." Also gut, überzeugt, zumal
wir uns in der Touristeninfo heute Morgen auch schon gleich den Weg
dorthin haben erklären lassen. Doch leichter gesagt, als getan. Erstmal
müssen wir den Bus finden, der zum Autogară 2 fährt. Am Piaţa
Teatrului finden wir dann eine Haltestelle. Bloß wo kriegen wir die
Fahrkarten her? In einem kleinen Handyladen/Kiosk fragen wir einfach
mal. Sie erklärt uns, dass wir zu dem alten Mann gehen sollen, der
direkt vor ihrem Schaufenster sitzt und tatsächlich, der hat die
Fahrkartenstreifen ausgebreitet vor sich auf einer kleinen Kiste liegen.
Letzte Möglichkeit für uns, doch zu sagen, wir fahren nicht. Ja? Nein?
Jein!? Oder sollen wir doch den Berg hinauf zum Aussichtsturm laufen?
Ach komm, wir fahren jetzt nach Bran. Na gut.
Als wir am Autogară 2 ankommen (der Bus hält direkt davor), sehen
wir unseren Bus nach Bran gerade abfahren. Gutes Timing. :-/ Der
nächste fährt erst in einer halben Stunde. Ein paar andere Leute,
darunter sogar amerikanische Touristen, waren mit uns. Auf einem Teil
des Busbahnhofs sind gerade ein paar Fahrschüler am Üben. Als der Bus
kommt, ist er zwar ganz gut gefüllt, aber keinesfalls überfüllt. Die
Fahrt dauert gar nicht mal so lange. Es geht recht fix, bis wir raus aus
der Stadt sind - und schon am Stadtrand sehen wir wieder die ersten
Pferdefuhrwerke.
In Bran merken wir ganz schnell: Hier ist der Teufel los.
Vor dem Eingang haben sich viele Händler niedergelassen, die sich voll
und ganz auf Touristen eingestellt haben - und die gibt es hier wirklich
zuhauf. Ich habe echt den Eindruck, dass sich alle Touristen Rumäniens
hier versammelt haben. Noch krasser wird es, als wir im Inneren der Burg
sind, die nebenbei bemerkt wirklich märchenhaft anmutet. Wie in einer
Endlosschlange laufen wir durch die Zimmer. Aber immerhin gibt es noch
genug Stellen, um mal auszuscheren und die Burg in Ruhe auf sich wirken
lassen zu können. Übrigens scheinen die ziemlich viele Bären getötet
zu haben, denn es gibt jede Menge dieser 'Bettvorleger'. Eine
amerikanische Reisegruppe ist auch unterwegs. Im romantischen Burghof
lassen sie sich zusammen fotografieren. Und weil jeder das Gruppenbild
möchte, darf das arme Ding mit der Digicam von wirklich jedem einmal
abdrücken.
Der Rundgang geht ziemlich schnell, sodass wir noch durch das
Freilichtmuseum laufen. Hier gibt es verschiedene Bauernhäuser aus
Transsilvanien zu sehen - leider höchstens eines, in das man auch
hineingehen kann. Alle anderen sind zu.
Als wir an der Bushaltestelle zurück nach Braşov
warten, trifft mich ja fast der Schlag: Oh mein Gott, wie viele Leute
wollen denn bitte da in den Bus!? :-O Aber ich hab auch ehrlich gesagt
keine große Lust, noch länger hier zu warten. Die anderen nur
wahrscheinlich auch nicht. Noch bevor der Bus überhaupt auftaucht,
fängt schon ein leichtes Gedrängel an. Jeder will unbedingt dahin, wo
nachher die Tür beim Busfahrer aufgeht. Ich hole extra schon mal das
Geld aus der Tasche (die Fahrt kostet einfach pro Person 2,50 lei noi),
um im Getümmel schnell bezahlen zu können. Der Bus kommt. Es ist ein
ganz normaler Bus, der auch schon ganz gut besetzt ist. Alle Leute
stürmen zur Busfahrertür, auch ich drängel mich so gut es geht voran,
denn schließlich macht das ja jeder. Ich schaffe es in den Bus, bezahle
für Christoph gleich mit, der ein Stück hinter mir ist, aber auch er
kommt mit rein. Wir finden noch einen freien Fleck an der hinteren Tür
zum Stehen. Ich glaube, es kommt wirklich fast jeder rein, auch wenn es
dadurch wirklich proppevoll ist. Es handelt sich übrigens um einen
ausrangierten Bus der Österreichischen Bundesbahn, denn die Aufkleber
hängen noch alle tadellos da. Unterwegs steigen sogar noch ein paar
Leute zu, ein paar allerdings zum Glück auch aus. Eigentlich wollte ich
noch ein paar Fotos schießen, aber das kann ich jetzt vergessen.
Irgendwann kann ich sogar mal einen Sitzplatz ergattern, nachdem sich
ewig keiner dorthin setzt.
Endlich wieder in
Braşov, wobei
jetzt natürlich alle zum Bus Richtung Innenstadt hetzen, sodass auch
der ziemlich voll ist. Ich weiß gar nicht mehr, ob wir beim Fahrer
Tickets gekauft haben oder ob er uns einfach durchgewunken hat, entweder
weil er es eilig hatte, kein passendes Wechselgeld oder sonstigen
Gründen. Nach dem Stress jetzt in Bran folgt aber auch gleich der
nächste Stress, denn wir müssen noch die Fahrkarten für morgen nach
Bucureşti kaufen. Dazu müssen wir ja wieder in die 'Agenţie
de Voiaj CFR'. An sich kein Problem, weil das Büro direkt in der
Fußgängerzone ist laut Lonely-Planet-Karte. Doch Pustekuchen. Das ist
umgezogen, weil da jetzt ein Handy-Laden eröffnet hat und eine
Stefanel-Boutique gerade im Bau ist. Zwar suchen wir erst noch, doch
weil Christoph dann mal kurz beim McDonald's wegen Toilettegehen
verschwindet, frag ich im Handy-Laden jetzt doch mal nach - und ja, das
Büro ist tatsächlich umgezogen, aber wir müssten einfach nur den 'Bulevardul
15 Novembrie' nach Norden folgen. Gut, dass wir gerade erst aus dieser
Richtung kommen. Also machen wir kehrt, laufen den Weg wieder zurück,
den wir gerade erst gekommen sind und laufen die Straße immer weiter
und weiter. Der Vekehr nervt. Und stinkt. Und ist laut. Aber wir
immerhin, wir finden es auf der linken Straßenseite. Sieht alles noch
recht neu und modern aus - bloß die Fahrkarten sind immer noch die
gleichen und es gibt auch hier nur einen Computer wegen den
internationalen Fahrkarten. Aber immerhin, es klappt alles und die Frau
erklärt uns auch ganz genau, in welchen Triebwagen wir einsteigen
müssten - zumal sie auch die erste ist, die mal wirklich deutlich und
leserlich alles auf die Fahrkarten schreibt. Also, morgen gegen 9 Uhr
geht's in die Hauptstadt.
Doch jetzt zählt erst einmal das Abendessen. In einer Seitengasse des
Piaţa Sfantului, dem großen Hauptplatz mit dem Alten Rathaus,
finden wir gleich zwei Lokale nebeneinander, die beide Pizzen anbieten,
die alle so um die 10 lei noi kosten. Perfekt. Und das Essen ist
wirklich gut. Danach laufen wir noch ein bisschen durch die Altstadt bis
zur Stadtmauer, bevor wir umkehren und uns in Richtung Hotel machen. Auf
dem Zimmer schreib ich noch ein paar Postkarten und ein bisschen im
Tagebuch, bevor wir die Lichter ausknipsen. Noapte bună.
FAHRTENBUCH |
abfahrt |
start |
ziel |
dauer |
km |
typ |
preis |
6.31 |
Sibiu |
Braşov |
2h11 |
149 |
R |
24,70RON* |
14.30 |
Braşov |
Bran |
0h30 |
29 |
Bus |
2,50RON |
16.30 |
Bran |
Braşov |
0h30 |
29 |
Bus |
2,50RON |
 |
|
Sibiu |
Braşov |
3h11 |
207 |
|
29,70RON |
 |
R=Rapid
*RON=lei noi=neuer Lei (10RON = ca. 3,5€), seit 1.7.2005
parallel in Verwendung mit dem alten Lei (10RON=100.000 alte Lei) |
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Die ganze Fahrt führt entlang des Făgăras-Gebirges,
in dem auch Rumäniens höchster Gipfel (der Moldoveanu mit 2544m)
liegt.
weitere Bilder von der Fahrt nach Braşov
 

Ggggg
weitere Bilder aus
Braşov
  

Ob Vlad Ţepeş jemals einen Fuß in
die Törzburg (heute eher bekannt als 'Castelul Bran') gesetzt hat?
Wahrscheinlich eher nicht.
weitere Bilder aus Bran
  
  
  

So, hier am Bulevardul 15 Novembrie soll jetzt
also irgendwo die 'Agenţie
de Voiaj CFR' sein...
weitere Bilder aus Braşov
 
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